Modul 4: ADHS

Theoretische Betrachtung ADHS

Alle Menschen sind gleichwertig. Auch wenn nicht alle Menschen gleich sind.                                                                                                Ludger Tebartz van Elst

Menschen mit der eindeutigen Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung oder auch Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens, ICD10: F90.1 – ADHS, sind keine „fehlentwickelten“ oder „entwicklungsgestörten“ Kinder, sondern junge Menschen mit einem besonderen Botenstoffwechsel, der genetisch bedingt, also von Geburt an, vorhanden ist. Sie haben eine anders ausgerichtete Wahrnehmung, aber vor allem eine eingeschränkte Impulskontrolle und entwickeln sich daher anders als andere Kinder.

Biochemisch ist mittlerweile gut belegt, dass eine neurochemische Dysregulation von zumindest zwei Botenstoffen im vorderen Aufmerksamkeitssystem des Gehirns (Frontallappen), dem Dopamin und dem Noradrenalin, nicht funktional reguliert wird.  Da das Dopamin im Gehirn u.a. dafür zuständig ist, Reize zu filtern, bedeutet eine Dysfunktion hier eine besondere Reizoffenheit bei einer Reizfilterschwäche.

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen hier aber ganz deutlich, dass betroffene Menschen in allen Gebieten lernen und tatsächlich „normal“ am alltäglichen Leben teilhaben können, wenn sie entsprechende professionelle Hilfe erhalten. Allerdings funktioniert dies in  ausgeprägten Fällen nur durch unterstützende Zuhilfenahme von „Psychostimulanzien“, die dafür sorgen, einfach ausgedrückt, dass das Dopamin besser sein Ziel erreicht.

„ADHS“ ist nach meiner Auffassung keine Krankheit oder Behinderung, sondern eine Besonderheit bzw. ein Anderssein. So oder ähnlich ist auch die Betrachtungsweise, die sich mittlerweile in Fachkreisen immer mehr etabliert. Allerdings führt u.a. der gesellschaftliche Anpassungsdruck unweigerlich zu einem hohen Stresspegel bei den Betroffenen und ihren Eltern. Dieser Stress führt allzu oft zu schwierigen Verhaltensweisen und langfristig auch zu Zuständen mit Krankheitswert. ADHS-Störungen ergeben sich also sinngemäß aus den Folgezuständen bei Betroffenen, insbesondere durch zu langes Nicht-Erkennen oder fehlende/falsche Diagnosen. Dann natürlich durch verspätete oder falsche Behandlung und auch durch eine verspätete, falsche oder ganz fehlende Medikation.

ADHS ist nach meiner Auffassung eine Besonderheit, die von den Systemen und Subsystemen der neurodivergenten Kinder und Jugendlichen zuerst einmal eine besondere Aufmerksamkeit und ein besonderes Verständnis erfordert. Natürlich sind auch spezielle therapeutische, pädagogische und medizinische Anpassung und Interventionen erforderlich, die auf die besonderen Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet sind. Hier ist es erforderlich, Eltern, Geschwistern, Lehrern usw. zu vermitteln, dass auch ADHS-Kinder bemüht sind „alles gut und richtig“ zu machen. Wenn sie dies augenscheinlich nicht tun, liegt es in der Regel nicht an ihrem Wollen, sondern an ihrem Unvermögen, dies in diesem Moment zu tun.

„Kinder, die sich angemessen verhalten können, tun dies auch.“

Bo Heljlskov Elven

Das Schlüsselwort ist hier „Können“. Es geht also um die Fähigkeit, nicht um den freien Willen! Wenn sich ein Kind mit der Diagnose ADHS also nicht angemessen verhält, liegt es in der Regel daran, dass es in diesem konkreten Moment über keine angemessene Verhaltensweise verfügt. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass es noch keine angemessene Verhaltensweise gelernt hat, sondern, dass es in diesem speziellen Augenblick nicht darauf zurückgreifen kann. Wahrscheinlich sind die Anforderungen zu hoch oder die „Ansprache“ ist ungeeignet.  Unter dieser „Steuerungsschwäche“ leiden diese Kinder, aber auch ihre Eltern, meist ganz erheblich. Kinder und Jugendliche mit einem sehr deutlich ausgeprägten ADHS sind vor allem ihren spontan auftretenden Gefühlen und Affekten regelrecht ausgeliefert.

Weiter wird jede ausgesprochene „Ausnahme von der Regel“ sofort zur subjektiv feststehenden Regel. Grundsätzlich ist bei Betroffenen das Wort „vielleicht“ inhaltsleer und sie haben bei jeglicher Verhandlung den längeren Atem und „sowieso das letzte Wort“, wie sicher die meisten betreuenden Personen von ADHS-Kindern bestätigen können.

Hier funktioniert einzig der von Cordula Neuhaus geprägte Ansatz:

„Konsequenz als liebevolle Sturheit“.

Die therapeutisch/pädagogische Arbeit mit Betroffenen, Eltern und beteiligten Systemen fußt also auf dem Ansatz, dass auf der Basis von einer generierenden Interaktion und Kommunikation alle Probleme und Auffälligkeiten, aber natürlich auch die Ressourcen und Stärken, eingebracht, besprochen, aufgearbeitet und alltagstauglich umgesetzt werden. Aus diesem Grund ist die Arbeit mit den Eltern, aber auch mit allen „Systemen“, absolut wichtig und für den Erfolg der Maßnahme maßgebend. Ein langfristiger Erfolg ergibt sich nur aus unermüdlichem Wiederholen und Einüben. Insbesondere Eltern von neurodivergenten Kindern müssen hier an ihrer Erziehungshaltung arbeiten und ihre Erziehungskompetenzen ausbauen und erweitern.

Aus der neueren Literatur ist bekannt und es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Kriterium und die Ausprägung der „Beeinträchtigung“ bei ADHS ganz entscheidend vom Umfeld und der gesellschaftlichen Ausdeutung und Toleranz dieser Auffälligkeit gegenüber abhängig ist.

An dieser Stelle muss allerdings deutlich gemacht werden, dass die Möglichkeiten von Pädagogik und Therapie ihre Grenzen haben. Die Auswirkungen der bisher bekannten Botenstoffe im Gehirn, der Volumenunterschied, sowie die differierende Durchblutung und Glukoseversorgung im Stirnhirn bedeuten eine deutlich andere Netzwerknutzung des Gehirns bei ADHS. Diese Faktoren können auch durch günstige Umweltfaktoren und Erziehungs- und Bindungsbedingungen nicht zu einer „normalen“ Steuerung führen. Hier ist eine differenzierte und genau abgestimmte medikamentöse Behandlung der Kinder und Jugendlichen unabdingbar. Ohne diese Hilfe kann sich in der Regel keine „normale“ Selbstkontrolle bzw. Selbstregulation entwickeln, wie sie bei neurotypischen Kindern durch Reifung und Erziehung stattfindet.

Der von mir vertretene verhaltenstherapeutisch/neuropsychotherapeutische Ansatz (Cordula Neuhaus), kommunikationstheoretisch und lerntheoretisch belegt vor dem Hintergrund der Individual-Psychologie und -Pädagogik, basiert darauf, dass die Konstitution bei ADHS neurobiologische Ursachen hat. Die Netzwerknutzung im Gehirn unterscheidet sich offensichtlich deutlich von der Nichtbetroffenen und wird noch erheblich intensiver von der „sozialen Umwelt“ beeinflusst als allgemein angenommen. Beim schub- und wellenförmigen Verlauf der „Besonderheit“ können unvorhergesehene Ereignisse, aber auch situative Befindlichkeiten, Stress auslösend sein und zu unkontrollierten Ausbrüchen und Kontrollverlust führen. Betroffene sind in diesen Situationen ihren Gefühlen und Affekten sozusagen hilflos ausgeliefert und tatsächlich eine Gefahr für sich und ihr Umfeld. Diese Gefahr ist „reifungsbedingt“ mit voranschreitendem Alter größer werdend.

Um Kindern und Jugendlichen Instrumente der Impulskontrolle und Affektregulation zu vermitteln, hat sich die Teilnahme an meinem Spezialtraining „BoxerSchmiede©“ als sehr hilfreich herausgestellt. Dieses Spezialtraining fußt auf einer sich ständig weiter entwickelnden, fast 40-jährigen Auseinandersetzung mit Betroffenen und der fachlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Bei Interesse informiere ich hierzu gerne gesondert.

In neueren Publikationen vertreten Fachkräfte heute oft die Auffassung, dass die beiden Diagnosen Autismusspektrumsstörung (ASS) und ADHS über einen gemeinsamen Genpool auch in einem kausalen Sinne verbunden sind. Dabei wird unter anderem vermutet, dass gerade hochfunktionales ADHS nur eine leichtere Variante des ASS sei. Auch diese neueren „Erkenntnisse“ sind in die Arbeit mit Familien und Systemen einzubeziehen.

Arbeitsweise meiner ADHS-Regulation©

Nach meiner Erfahrung und mittlerweile auch wissenschaftlich gesichert, ist meist zumindest ein Elternteil auch von ADHS betroffen. Oft sind alle Familienmitglieder stärker oder minderstark behaftet. Hier bedarf es einer zielgenauen und auf die komplexen Probleme hin abgestimmten Hilfe. „Normale“ pädagogische und therapeutische Hilfen greifen hier wenig, da viele Interventionen oder Anregungen, die im neurotypischen Rahmen funktionieren, bei ADHS oft kontraindiziert sind und sich nachhaltig negativ auswirken. Die Besonderheit der „Andersartigkeit“ ist nicht, wie häufig angenommen, die „Hyperaktivität“, sondern das „schnelle Kippen der Gefühle“, „das Ausrutschen auf den Gefühlen“, das heißt, sich hineinsteigern, ohne es zu merken und ohne es stoppen zu können. Das größte Problem ist der Verlust der Impulssteuerungs-Kontrolle! Das bedeutet, dass in emotional schwierigen Situationen eine Regulation und Steuerung der Auswirkungen der Emotionen nicht möglich ist. Ein Zugriff auf rationales Wissen ist zu dieser Zeit unmöglich. Der Abbau von „Erregungszuständen“, z.B. durch motorische Aktivität, bewirkt bei ADHS-Betroffenen den genau gegenteiligen Effekt, als bei Nichtbetroffenen. Pädagogische Interventionen, wie z.B. „Auszeit“, die bei Nichtbetroffenen oft stabilisierend wirken, lösen bei Betroffenen eine Hyperfokussierung und einen erheblichen Anstieg des Erregunspotenzials aus. Die Beeinträchtigung der exekutiven Funktionen des Stirnhirns verursachen erhebliche Probleme, Prioritäten zu erkennen und zu setzen. Hiermit einher geht, dass die Selbstkontrolle und Selbstüberwachung nicht altersentsprechend gelingen. Die Auswirkung ist eine Reizoffenheit bei einer gleichzeitigen Reizfilterschwäche, wie oben beschrieben.

Das Zusammenspiel der geringen Arbeitsspeicherkapazität des Gehirns, der Impulssteuerungsschwäche, der extrem niedrigen Frustrationstoleranz und dem Nicht- Aufschieben-Können von Gratifikation bedeutet, dass Menschen mit ADHS nicht so wie andere auf Erfahrungswissen zurückgreifen können und somit nicht „richtig“ aus Erfahrungen lernen können. Dies verlangt eine völlig neue, auf dieses Bild zugeschnittene pädagogische Arbeitsweise mit Betroffenen und deren Umfeld.

Im Rahmen der Jugendhilfe benötigt diese Arbeit das Verstehen und Erkennen komplexer systemischer Zusammenhänge, sowie der Wechselwirkung einer Eskalationsspirale im Gesamtsystem. Auch die verschiedenen Sichtweisen und Standpunkte über ADHS müssen neutral betrachtet in die Arbeit eingebracht werden. Das hier angewandte „Kompetenztraining“ ist nicht auf Heilung, sondern auf die Kompetenzerweiterung im Umgang und in der Wahrnehmung in Bezug auf die vorliegende „Besonderheit“ ausgerichtet. Es geht hier nicht darum, gegen die Symptomatik anzukämpfen, sondern zu lernen, damit besser umzugehen und zu leben.

Modul 4: ADHS-Regulation©

ADHS-Regulation© im Rahmen der Jugendhilfe benötigt das Verstehen und Erkennen komplexer systemischer Zusammenhänge sowie der Wechselwirkung einer Eskalationsspirale im Gesamtsystem. Auch die verschiedenen Sichtweisen und Standpunkte ADHS betreffend müssen neutral betrachtet in die Arbeit eingebracht werden.

Oft ist neben dem „Hauptbetroffenen IP“ mindestens ein Elternteil von ADHS betroffen. Andere Familienmitglieder können in unterschiedlicher Stärke und Ausprägung betroffen sein. ADHS kann sich in jedem Menschen auf unterschiedliche Art und Weise äußern.

Hier greift nur ein Zusammenspiel aus verschiedenen Maßnahmen:

  • Medizinische Abklärung, Begleitung und Indikation
  • Heilpraktische Betrachtungsweise (Krytopyrrolurie)
  • Psychotherapeutische Arbeit (erkennen der eigenen Zustände)
  • Verhaltenstherapeutische Arbeit (trainieren und verinnerlichen neuer Verhaltensweisen)
  • Pädagogische Arbeit / Intervention (Klarheit, Struktur, Regelwerk, Sanktionierung)

Das Angebot der ADHS-Regulation© umfasst folgende Komponenten:

  • Kompetenztraining mit den Eltern / Erziehungsberechtigten
  • Betreuung und Begleitung des/der Betroffenen
  • Kontakt, Kooperation und Koordination der medizinischen Hilfen
  • ADHS-spezifische Familientherapie

Hauptbestandteil der ADHS-Regulation© ist die Betreuung und Begleitung des oder der Betroffenen. Es geht darum, eine Kompetenzerweiterung im Leben mit dem Störungsbild zu erreichen. Das Training beginnt mit der kind- oder jugendgerechten Vermittlung der ADHS-Problematik und der Zusammenhänge. Weiterhin geht es um das Erkennen der eigenen Verhaltensweisen und deren Wirkung auf das eigene Umfeld, bis hin zur Erarbeitung und dem Trainieren neuer, angemessener Verhaltensweisen. Hierzu werden Methoden aus der Psychotherapie – wie die Tiefung erlebter Zustände – über Verhaltensveränderung durch verhaltenstherapeutische Methoden bis hin zu pädagogisch ausgerichtetem Training neuer Verhaltensweisen angewandt.

ADHS-Begleitung

Hauptbestandteil der ADHS-Regulation© ist die Betreuung und Begleitung des oder der Betroffenen. Hier geht es darum, ähnlich wie im Kompetenztraining für die Eltern, eine Kompetenzerweiterung im Leben mit dem Störungsbild zu erreichen. Dieses Training geht von der kind- oder jugendgerechten Vermittlung des Störungsbildes und der Zusammenhänge über das Erkennen der eigenen Verhaltensweisen und deren Wirkung auf das eigene Umfeld bis hin zur Erarbeitung und dem Trainieren neuer, angemessener Verhaltensweisen. Hierzu werden Methoden aus der Psychotherapie, wie die Tiefung erlebter Zustände, Verhaltensveränderung durch verhaltenstherapeutische Methoden, bis hin zum pädagogisch ausgerichteten Training neuer Verhaltensweisen und der dann wieder erfolgenden Tiefung und Etablierung durch psychotherapeutische Methoden angewandt.

ADHS-spezifische Familientherapie

Da pädagogische, aber auch therapeutische Interventionen bei ADHS-Betroffenen oft nicht gleichsam oder sogar gegenteilig wirken wie bei Nichtbetroffenen, biete ich hier eine Familientherapie an, die auf systemischer Basis, allerdings mit ADHS-spezifischen Methoden, arbeitet.

ADHS-Kompetenztraining

Kompetenztraining mit den Eltern oder Erziehungsberechtigten.

Dieses Kompetenztraining ist nicht auf Heilung sondern auf die Kompetenzerweiterung im Umgang und in der Wahrnehmung in Bezug auf das vorliegende Störungsbild ausgerichtet.

Es geht hier (nach Cordula Neuhaus) nicht darum, gegen die Symptomatik anzukämpfen, sondern zu lernen, damit besser zu leben.

Methoden:

  • Zielgruppenspezifische Vermittlung des Störungsbildes ADHS und dessen

Merkmale und Ausprägung

  • Vermittlung der Wirkungsweise von Therapieformen und/oder Medikamenten
  • Einübung neuer Verhaltens- und Umgangsweisen mit den Betroffenen
  • Erarbeitung einer Neustrukturierung des Lebensalltags
  • Erarbeitung eines auf die spezifischen Belange abgestimmten Regelwerkes
  • Sanktionierungskatalog

ADHS –Koordination

Kontakt, Kooperation und Koordination der medizinischen Hilfen.

Es ist ausschlaggebend wichtig, die medikamentöse Einstellung der Betroffenen zu begleiten und deren Wirkung zu reflektieren. Dies gibt dem zuständigen psychologischen Fachbetreuer genaue Anhaltspunkte, um die Medikamentengabe bei Bedarf erneut anzupassen.

Da es sich bei ADHS um eine Spektrumsstörung handelt, sind weitere komorbide Störungen, die sich auf die Grundstörung aufgesattelt haben (meist aus dem Bereich der Zwangs­störungen), zu vermuten. Dies muss beobachtet, an den Mediziner zurückgemeldet und in die Arbeit mit einbezogen werden.

Zusätzlich stellt die Anbindung an eine Selbsthilfegruppe eine gute Unterstützung für die Eltern dar. Dies dient auch dem besseren Verstehen von Verhaltensweisen und Zuständen ihrer neurodivergenten Kinder. In einigen Städten bieten z.B. die Erziehungsberatungsstellen solche Gruppen an.